Vorteile der Wasserkraft

Wasserkraft ist die älteste Form erneuerbarer Stromerzeugung und war Ausgangspunkt für die Industrialisierung und Elektrifizierung Deutschlands. Aktuell gibt es ca. 7.400 Wasserkraftanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 5.600 MW (1990: 4.000 MW) – ohne Berücksichtigung der Pumpspeicher-Kraftwerke – in Deutschland. Der Anteil der Wasserkraft an der Bruttostromerzeugung in Deutschland lag gemessen im Zeitraum von 2019 und 2022 zwischen 20,1 und 17,5 Mrd. kWh und entspricht rd. 3-4% der deutschen Stromerzeugung. Dabei ist die Wasserkraft äußerst klimafreundlich, da sie mit 807 g/kWh vermiedener CO₂-Äquivalente  einen der größten CO₂-Vermeidungsfaktoren aufweist. Somit werden rd. 14 Mio. t CO₂-Emissionen in Deutschland vermieden, was rd. 7% der nationalen Emissionen entspricht. Wasserkraft leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele.

Wasserkraft ist mit durchschnittlich 4.800 h durch hohe Jahresvolllaststunden gekennzeichnet. Kleine Wasserkraftwerke erreichen z. T. sogar noch höhere Werte (5.500 h und mehr). Sie sind zudem hochverfügbar und im Mittel 8.000 h p.a. in Betrieb. In der leitungsgebundenen Energieversorgung stellt die Wasserkraft damit eine zuverlässige, flexible, plan-, steuer- und speicherbare Energiequelle dar. Wasserkraftwerke sind wegen ihres netzdienlichen Verhaltens und ihrer dezentralen Einspeisung von großer Bedeutung für die lokale Stromversorgung. Während volatile Einspeiser die Verteilnetze mit erheblichen Einspeisespitzen belasten, speisen Wasserkraftwerke ihre Leistung stetig und mit hohen Volllastnutzungsstunden ein, ohne temporäre Netzüberlastungen zu verursachen. Im Gegenteil, ihr Einsatz reduziert den Netzausbaubedarf und senkt dessen Kosten erheblich. Dies gilt besonders für die Kleinwasserkraft, da gerade die Mittel- und Niederspannungsebenen die höchsten netzspezifischen Kosten aufweisen. Wasserkraft bildet zum heutigen Zeitpunkt zudem die einzige Möglichkeit, Energie wirtschaftlich und großtechnisch zu speichern. Wasserkraft zeichnet sich zudem durch eine sehr lange Nutzungsdauer (bis 100 Jahre), hohe technische Wirkungsgrade von bis zu 90% und einen entsprechend hohen Erntefaktor aus. 

Neben der Stromversorgung dient Wasserkraft der öffentlichen Daseinsvorsorge. So liegen die Errichtung und der Betrieb von Wasserkraftanlagen samt Nebenanlagen nach der Novelle des EEG 2023 im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Inselnetz- und schwarzstartfähige Wasserkraftwerke können bei großflächigen Blackouts lokal die Versorgung aufrechterhalten. Als regelbare dezentrale Erzeuger können Kleinwasserkraftwerke – nach kleineren technischen Modifizierungen – lokale Inselnetze versorgen und so die Versorgung selbst bei einem großflächigen Blackout aufrechterhalten. Dies erhöht die Versorgungszuverlässigkeit und ist insbesondere für die Versorgung kritischer Infrastruktur von wichtiger Bedeutung. Außerdem kann die Wasserkraft durch ihre rotierenden Massen Momentanreserve bereitstellen, um die Netze bei sehr kurzfristigen Schwankungen stabil zu halten. In innovativen und zukunftsweisenden „zellularen Energiesystemen“ liefert die Wasserkraft z. T. schon heute Beiträge zur Energieeffizienz, Systemstabilität und Versorgungssicherheit.

Grundlage für die Genehmigung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen sowie bei den damit im Zusammenhang stehenden Schutzgüterabwägungen ist das von der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorgegebene Ziel einer guten Hydrobiologie. Die Vorgaben zur Erreichung dieses Ziels werden in Deutschland durch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) geregelt und im Hinblick auf die Gewässerökologie durch die §§ 33-35 WHG spezifiziert. Diese umfassen im Einzelnen die Gewährleistung eines zur Aufrechterhaltung der Gewässerökologie ausreichenden Mindestwassers, der linearen Durchgängigkeit für Gewässerlebewesen sowie des Fischschutzes an Wasserkraftanlagen. Zur Einhaltung dieser strengen Vorgaben stehen entsprechende Vermeidungstechnologien zur Verfügung. So ermöglichen moderne Fischauf- und -abstiegsanlagen eine gefahrlose Passage und verhindern Schonrechen in Kombination mit Rechenreinigungsvorrichtungen das Einschwimmen von Fischen in die eigentliche Anlage.

Neben der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Ökologie der Fließgewässer im Zuge der Wasserkraftnutzung erfüllt die Wasserkraft mit ihren Stauhaltungen auch wichtige Funktionen zur Klimaanpassung. So wird durch die Wehre der Wasserkraft Wasser in der Fläche zurückgehalten und so der Grundwasserspiegel in der Aue gehalten. Dies ist Voraussetzung für die Sicherstellung einer ausreichenden Trinkwassergewinnung und Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Nutzung, aber auch für den Erhalt von Feuchtgebieten und aquatischen Lebensräumen. Die tiefen Bereiche vor den Wehren und in den Betriebsgräben der Wasserkraftanlagen sind wichtige Rückzugshabitate für Gewässerorganismen bei langanhaltender Dürre, aber auch bei Hochwasser. Bei den im Zuge des voranschreitenden Klimawandels immer häufiger zu erwartenden Extremniederschlägen und in deren Folge vermehrt auftretenden Hochwässern dienen die Stauhaltungen zudem einem effektiven Hochwasserschutz und kontrollierten Energieabbau.

Stand: Konsolidierte Fassung vom 16.4.2024 Helge Beyer